Diabetesmedikament könnte Parkinsonerkrankung bremsen
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Ein Wirkstoff zur Diabetesbehandlung könnte möglicherweise auch bei Parkinson helfen – so das Ergebnis einer im April 2024 im New England Journal of Medicine veröffentlichten klinischen Studie.1Die Substanz Lixisenatid verlangsamt das Fortschreiten der Symptome in einem geringen, aber statistisch signifikanten Umfang.
Wirkprinzip von Diabetesmedikamenten bei Parkinson unklar
Die Wirksamkeit von Diabetesmedikamenten bei Parkinson wird schon seit Längerem untersucht. Die aktuelle Studie ist jedoch die erste multizentrische klinische Studie, die Anzeichen für eine Wirksamkeit liefert. Untersucht wurden 156 Personen mit leichten bis mittelschweren Parkinsonsymptomen, die alle bereits das Standard-Parkinsonmedikament Levodopa oder andere Arzneimittel einnahmen. Die eine Hälfte von ihnen erhielt ein Jahr lang den Wirkstoff Lixisenatid, die andere ein Placebo. Nach zwölf Monaten zeigten die Teilnehmenden der Placebo-Kontrollgruppe wie erwartet eine Verschlechterung ihrer Symptome. Auf einer Skala zur Bewertung des Schweregrads der Parkinsonkrankheit, mit der gemessen wird, wie gut die Betroffenen Aufgaben wie Sprechen, Essen und Gehen ausführen können, war ihr Wert um drei Punkte gestiegen. Bei denjenigen, die das Medikament einnahmen, änderte sich die Punktezahl auf dieser Skala nicht.
„Das Ergebnis ist aufgrund des Studiendesigns interessant. Man muss aber berücksichtigen, dass drei Punkte in der Bewertung wenig sind. Es müssen weitere Studien zur Wirkung über mehrere Jahre hinweg folgen“, erklärt Prof. Dr. Joseph Claßen, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie in Leipzig und 1. Vorsitzender der Deutschen Parkinsongesellschaft. Zudem führte die Behandlung zu Nebenwirkungen: Übelkeit trat bei fast der Hälfte und Erbrechen bei 13 % der Personen auf, die das Medikament einnahmen. Neuere Medikamente derselben Substanzklasse könnten weniger und mildere Nebenwirkungen haben oder in niedrigeren Dosen wirken.
Noch ist unklar, wie sich der positive Effekt des Diabetesmedikaments bei Parkinson erklären lässt. Der zur Behandlung von Typ-2-Diabetiker:innen zugelassene Wirkstoff Lixisenatid ist ein sogenannter GLP-1-Rezeptoragonist (Glucagon-like Peptid-1). Es ahmt die Wirkung des natürlich vorkommenden Peptids nach und aktiviert eine intrazelluläre Signalkaskade, welche eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung physiologischer Blutzuckerwerte spielt. Der Wirkstoff gehört zu einer großen Familie ähnlicher Wirkstoffe, die in jüngster Zeit als „Abnehmspritze“ (Semaglutid) auch zur Behandlung der Adipositas eingesetzt werden. GLP-1-Medikamente sind dafür bekannt, dass sie Entzündungen reduzieren – möglicherweise hängt damit ihre Wirkungsweise zusammen.
Dem Zusammenhang zwischen Parkinson und Diabetes auf der Spur
Schon seit Längerem deuten verschiedene Studien an, dass Diabetes Typ 2 und manche neurodegenerative Krankheiten ähnliche Signalwege aufweisen. Offenbar können nicht nur Leber- und Muskelzellen, sondern auch Neuronen schlecht auf Insulin reagieren, welches z. B. an Gedächtnisprozessen beteiligt ist. Dies könnte erklären, warum Menschen mit Diabetes Typ 2 z. B. ein höheres Risiko für Alzheimer haben.2 Eine 2017 veröffentlichte Studie aus London deutet darauf hin, dass der Wirkstoff Exenatid, ein weiteres Diabetesmedikament, das in Deutschland seit 2007 auf dem Markt ist, auch den Krankheitsfortschritt bei Parkinson mindestens verlangsamt, wenn auch nur in geringem Umfang. Die Forschenden vermuten, dass Exenatid die Energieversorgung der Neuronen verbessert, indem es sie wieder empfänglicher für Insulin macht, und damit Entzündungsreaktionen verringert.3 In zwei Anfang 2023 veröffentlichten Studien machten Forschende aus Florida und Taiwan die Beobachtung, dass die Einnahme des Wirkstoffs Metformin bei manchen Diabetespatient:innen offenbar eine schützende Wirkung hinsichtlich der Entwicklung einer Demenz hat.4, 5 In den nächsten Monaten werden Ergebnisse einer großen klinischen Studie erwartet, in der die Auswirkungen einer zweijährigen Behandlung mit Exenatid bei Menschen mit Parkinson untersucht werden.6
„Wissenschaftlich interessant sind auch die in der aktuellen Studie nicht untersuchten Fragen, ob GLP-1-Medikamente vor dem Verlust von Dopamin-produzierenden Neuronen schützen und vielleicht den Ausbruch von Parkinson verhindern können“, sagt Prof. Claßen. Das wären sehr wichtige Ziele, denn Parkinson lässt sich bisher nicht ursächlich behandeln.
Quelle:
Deutscher Kongress für Parkinson und Bewegungsstörungen, 25. bis 27. April 2024, Rostock
Literatur:
1 Meissner WG et al.: N Engl J Med 2024;390(13):1176-85 2 de la Monte SM, Wands JR: J Diabetes Sci Technol2008;2(6):1101-13 3 Athauda D et al.: Lancet2017;390(10103):1664-75 4 Tang H et al.: Alzheimers Dement 2024;20(2):975-85 5 Huang KH et al.: J Pers Med 2023;13(5):738 6 Vijiaratnam Net al.: BMJ Open 2021;11(5):e047993
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